Vorsicht bei »tierischen Geschenken«

2022-12-29 10:30:42 By : Mr. Tony Yin

In fünf Tagen ist Heiligabend. Dann landen sicher auch in Gießen wieder Tiere unterm Weihnachtsbaum. Doch Aufwand und Zusatzkosten sollten sorgfältig bedacht werden.

Gießen. Alle Jahre wieder landen auch Tiere unterm Weihnachtsbaum. Was viele dabei vergessen, ist, dass sie kein Spielzeug sind, das man leichtfertig verschenken und - wenn das Interesse schwindet oder der Aufwand zu groß wird - einfach wieder nach Belieben umtauschen kann. Genauso wie der Deutsche Tierschutzbund warnt auch die Vorsitzende des Gießener Tier-schutzvereins, Astrid Paparone, vor diesen »tierischen Geschenken«. Denn abgesehen vom Anschaffungspreis kommen weitere Kosten, wie Tierarzt oder Versicherung, auf die Käufer zu. Zudem müsse eine artgerechte Haltung unbedingt gewährleistet sein.

»Jedes Tier hat seine eigenen Bedürfnisse und braucht unsere Fürsorge. Man sollte sich im Klaren darüber sein, mit dem Kauf die Verantwortung für das lebenslange Wohlergehen des Tieres zu übernehmen«, betont Astrid Paparone.

Beispiel: die Anschaffung eines Kaninchens. »Kaninchen benötigen viel Platz und täglichen Auslauf. Ein handelsüblicher Käfig reicht da bei weitem nicht aus«, erklärt die Fachfrau. Optimal sei ein sicheres Gehege im Garten oder ein auf die Bedürfnisse des Hopplers zugeschnittener Raum.

Tierheimleiterin Hannah Wern zeigt einen 120 mal 60 Zentimeter großen Käfig als Negativbeispiel. »Selbst dieser ist noch zu klein für Kaninchen«, erklärt sie. »Die Minimalanforderung liegt bei sechs Quadratmetern für zwei Tiere, für jedes weitere sollten zwei Quadratmeter hinzukommen.« Und Astrid Paparone ergänzt: »Niemand würde auf die Idee kommen, eine Katze in einen solchen Käfig zu sperren. Auch Kaninchen wollen laufen und springen können und nicht nur den ganzen Tag in der Ecke hocken.« In vielen Haushalten würden Kaninchen bei dieser nicht artgerechten Haltung still vor sich hin leiden.

»Kaninchen sind gesellige Tiere und sollten nicht ohne mindestens einen Artgenossen gehalten werden.« Darüber hinaus seien die Nager keineswegs Schmusetiere, im Gegenteil: »Kaninchen erleiden enormen Stress, wenn sie getragen oder von Menschen bedrängt werden.« Auch die Beschaffung artgerechter und abwechslungsreicher Nahrung sei zeitaufwendig. Die handelsübliche Kaninchennahrung entspreche nicht wirklich den Bedürfnissen der Tiere. »Gut sind frisches Gemüse und Sommerkräuter, Körner können Magenprobleme verursachen.«

Ebenso vehement sprechen sich die Tierschützerinnen gegen die Haltung von Vögeln in kleinen Käfigen aus. Als Negativbeispiel zeigen sie einen »Unzertrennlichen« (Agapornis), in einem für den afrikanischen Papagei viel zu kleinen Käfig. »Vögel sollten im Zimmer frei fliegen oder in einer Voliere gehalten werden.« Darüber hinaus sollten sie Artgenossen haben.

Durch die Erhöhung der tierärztlichen Gebührenordnung (GOT) im November kommen auf Tierbesitzer obendrein Mehrkosten zwischen 20 und 30 Prozent zu - gerade zum aktuellen Zeitpunkt für viele Tierhalter eine enorme Mehrbelastung. So hat das Tierheim der Brief einer Familie erreicht, die sich aus Kostengründen von ihren Kaninchen trennen muss.

Die Kosten für das Zähnekürzen seien bei ihrem Tierarzt von zwölf auf 58 Euro gestiegen und auch die operative Behandlung einer Zahnfehlstellung könne man sich nicht mehr leisten. Hierzu sollte man wissen, dass die Zähne eines Kaninchens ein Leben lang wachsen und regelmäßig fachmännisch gekappt werden müssen. Bei Zahnfehlstellungen und/oder falscher Nahrung könnten Kaninchen selbst vor einem gefüllten Futternapf verhungern. Hinzu kommt, dass die Nager einmal pro Jahr eine Zweifachimpfung benötigen und auch die Krallen regelmäßig geschnitten werden müssen.

Die Coronakrise habe einen Haustierboom verursacht, in dessen Folge viele Tierheime mit vermehrten Abgaben nicht mehr gewollter Tiere zu kämpfen hätten, weiß Hannah Wern. »Bei uns sind aktuell alle Zimmer belegt.« Neben Kleintieren würden vermehrt Hunde und unsaubere Katzen abgegeben. Das heißt: Katzen, die beispielsweise aus Stressgründen anfangen, in die Wohnung zu machen. »Stress kann entstehen, wenn sich die Besitzer plötzlich nicht mehr um ihr Tier kümmern, etwa wenn sie, statt im Homeoffice zu sitzen, wieder zur Arbeit fahren müssen.«

Über 30 Katzen und über 60 Hunde leben momentan im Gießener Tierheim, darunter viele Rassehunde wie Bernhardiner, Cane Corso oder Samojede. »Interessant ist, dass viele von ihnen knapp vor ihrem zweiten Lebensjahr stehen«, so die Tierheimleiterin. Einen großen Anteil daran habe zweifellos das Tierweltportal auf eBay oder der illegale Welpenhandel, die während der Pandemie einen wahren Boom erlebt hätten. »Wir haben aktuell Hunde aus ganz Deutschland bei uns«, erklärt Paparone.

Auf Dauer sei dies sowohl personell als auch finanziell nicht mehr zu stemmen. »Wir erhalten keine staatliche Unterstützung, sondern einzig Zuschüsse von Gemeinden, mit denen wir Fundtierverträge haben«, stellt sie klar. Gesucht werden neben ehrenamtlichen Helfern vor allem erfahrene Tierpfleger, insbesondere für den Umgang mit schwierigen Hunden.

Es steht zu befürchten, dass unüberlegte Tiergeschenke die ohnehin schon überfüllten Tierheime weiter an ihre Kapazitätsgrenzen bringen. »Wer sich ernsthaft für ein Haustier interessiert, sollte vorab mit der ganzen Familie klären, welches Tier ins eigene Leben passt und wer welche Aufgaben bei der Betreuung übernimmt. Aspekte wie die Kosten, auch für teure Tierarztbesuche, und die Urlaubsbetreuung müssten bedacht werden. Der erste Weg auf der Suche nach einem geeigneten Tier sollte dann immer ins Tierheim führen, wo viele tolle Tiere auf ein neues Zuhause warten. Keinesfalls sollte man sie über das Internet erwerben.

Selbst hinter nett formulierten Anzeigen mit süßen Fotos oder solchen mit vermeintlichen Notfällen lauerten oft kriminelle Händler, die ihr Geld auf Kosten der Hunde- und Katzenwelpen verdienen. »Wer hier kauft, unterstützt den illegalen Handel und damit das Leid dieser Tiere«, schreibt der Deutsche Tierschutzbund auf seiner Homepage.

Der Tierschutzverein Gießen e.V. freut sich über Spenden auf das Konto: Sparkasse Gießen, IBAN: DE76 5135 0025 0200 5054 24.